Wer an diesem regnerischen Sonntag früh genug den Weg aus dem Bett fand, hatte die Möglichkeit, in den Genuss des lateinischen Choralhochamtes in der Basilika St. Valentin in Kiedrich zu kommen. Die Tradition des germanischen Choraldialekts wird dort bereits seit 1333 gepflegt und findet heute mit den Kiedricher Chorbuben die letzten Ausübenden dieser besonderen Form des gregorianischen Chorals. Während es für die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für mittelrheinische Musikgeschichte recht ungewohnt war, betete die Kiedricher Gemeinde auch einzelne Gebete wie das Vaterunser ganz selbstverständlich auf Latein. Nach der Messe fand die allsonntägliche Kirchenführung statt, die einen guten Einblick in die lange Tradition des Gotteshauses auch als Wallfahrtskirche erlaubte. Der während der Führung bereits in Grundzügen angesprochene germanische Choraldialekt wurde anschließend im warmen Probensaal von Chorregent Gabriel Heun ausführlich und kompetent erläutert. Dabei demonstrierte er exemplarisch dessen melodische Abweichungen anhand des in Hufnagelnotation notierten Graduale und leitete anschließend eine kleine gesangliche Erprobung an. Im Anschluss konnten im Chormuseum die originalen Codices bestaunt werden. Mit dem offensichtlich noch völlig unerschlossenen Bestand an diversen liturgischen Bänden tat sich zusätzlich eine unerwartete Quelle an neuen Fragestellungen auf und lässt auf eine mögliche zukünftige Zusammenarbeit hoffen. Der gemütliche Teil des Tages fand schließlich im Weinhaus zum Scharfenstein bei einem schmackhaften Mittagessen und geselligem Beisammensein statt.
Lavinia Hantelmann und Johanna Thöne