Hildegard von Hohenthal – Ein Musikroman aus dem Umfeld Erthals

»Der Prinz […] traf gerad um die Zeit des Konzerts ein, welches bald darauf anfing. Hildegard hätte sich gern davon los gesagt, wenn es schicklich gewesen wäre. Sie sang also das himmlische Duett, Se mai turbo il tuo riposo, mit dem jungen Kapellmeister unübertrefflich. Nun war die Reihe an dem Minister, ihr seine Lobsprüche zu machen; dies tat er auch mit Gefühl, und küsste ihr dabei ehrerbietig die Hand. […] Alsdann bezauberte sie in der Scene von Piccini; und Frau von Lupfen machte den Beschluß mit einem neuen meisterhaften Konzert von Mozart, und ward wegen ihrer Gewalt über das Fortepiano, ihrer glänzenden Manieren und ihres reinen Vortrags allgemein bewundert.«
Wilhelm Heinse: Hildegard von Hohenthal


Frontispiz und Titelseite der Erstausgabe von Wilhelm Heinse: Hildegard von Hohenthal, Berlin 1795

»Der Fürst liebte die alte Musik, besonders Kirchenmusik, und konnte die Künsteleyen, das Bunte und Verzierte der neuern nicht vertragen.«

So beschreibt Wilhelm Heinse (1746−1803) in seinem Musikroman Hildegard von Hohenthal die Romanfigur des aufgeklärten Landesfürsten. Heinse, selbst gerade aus Italien zurückgekehrt, hatte von 1786 an bis zu seinem Tod eine Anstellung als Vorleser und Hofbibliothekar bei Kurfürst Erthal gefunden und könnte diesen in seinem Roman porträtiert haben. So schreibt er weiter über den Fürsten:
»Er schickte ihn [den jungen Kapellmeister] bald darauf nach Italien, mit dem besonderen Auftrag, die größten Meisterstücke der Kunst dort zu sammeln und zu ihm zu bringen.«

Auch seinen späteren Kapellmeister Sterkel hatte Erthal nach Italien entsandt. An einer anderen Stelle des Romans unterhält sich der Fürst mit dem Protagonisten und Kapellmeister über die »beste Einrichtung eines wöchentlichen Konzerts«:
»Konzert ist eine musikalische Versammlung, Akademie, nach der ursprünglichen Bedeutung des Worts, ein Wettstreit, Concertatio […] In kleinern Städten und an Höfen ist es eine wöchentliche Zusammenkunft, wo eine Gesellschaft sich unterreden will, und die leeren Augenblicke mit Musik ausfüllt: oder das stumme Spiel der Karten mit Musik begleiten läßt, und dadurch die öde Stille wegbringt.«

Obwohl der Fürst des Romans natürlich nicht als Abbild des Kurfürsten von Mainz verstanden werden darf, kann man aus solchen Beschreibungen auf die Beliebtheit und den Stellenwert der Musik bei Hofe schließen: Musik diente nicht nur dem reinen Zeitvertreib, sondern vor allem auch der Repräsentation. Sie wurde als Teil des Bildungsprivilegs und der Weltgewandtheit gehobener Kreise verstanden.


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