Die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft hatten die Gelegenheit eine exklusive Orgelführung im Hohen Dom zu Mainz zu erleben. Prof. Daniel Beckmann, seit 2010 Domorganist, gab zu Anfang einen Einblick in die Geschichte des Doms und seiner Organisten. Besonders detailliert beschrieb er die verschiedenen Standorte der Orgel über die Jahrhunderte hinweg und die mehrmalige Zerstörung durch Brände. Der heutige Zustand der Orgel mit ihren sieben Teilstandorten sei nicht optimal. Einige Teile sind restaurierungsbedürftig, beziehungsweise gar nicht bespielbar. So ist der Neubau der Orgel mittlerweile in Planung, bei dem die akustischen Gegebenheiten eine besonders wichtige Rolle spielen sollen. Der riesige Innenraum, dessen Bauweise ursprünglich nicht für Musik ausgerichtet war, erfordert dabei eine Beschallung von mehreren Standorten, was eine nicht geringe Herausforderung bedeutet. Die ersten Aufzeichnungen bezüglich einer Orgel stammen erst aus dem frühen 14. Jahrhundert, während der Dom bereits drei Jahrhunderte stand.
Die anschließend von Prof. Beckmann vorgetragenen drei Beispiele aus drei Jahrhunderten machten die Problematik deutlich: Ein Werk aus der Feder J. S. Bachs ist in all seiner Differenziertheit kaum darstellbar, was besonders dann anschaulich wurde, wenn man die sich ansonsten nicht bietende Gelegenheit nutzte, während des Spiels einen Rundgang durch den Raum zu machen und das Verschwimmen der musikalischen Strukturen wahrzunehmen – die romanische Bauweise und der (später eingefügte) Marmorboden bewirken eine Nachhallzeit von bis zu elf Sekunden, und dieses Phänomen wurde umso deutlicher, als das Bauwerk (einmal abgesehen von der übersichtlichen Anzahl der Besucher) ansonsten leer war.
Ganz anders die Kompositionen von Felix Mendelssohn Bartholdy und vor allem Louis Vierne: Trotz des derzeit noch suboptimalen Zustands der Orgel waren diese Stücke aufgrund ihrer flächigeren Klangstruktur und natürlich auch aufgrund des meisterlichen Spiels von Prof. Beckmann, der sein Instrument und die akustische Problematik wie kein anderer kennt, weitaus beeindruckender.
Mit besonderer Aufmerksamkeit und Heiterkeit nahm man die Anekdoten zu den im Wächterhäuschen angebrachten „Kardinalstrompeten“ auf. Es soll an dieser Stelle nicht zu viel verraten werden, doch es war unter anderem von einer „Nacht- und Nebelaktion“ und der amerikanischen „First Lady“ die Rede. Die Besonderheit des im Jahr 2003 eingefügten Registers liegt dabei in der Bauweise und dem erhöhten Winddruck, der einen signifikanten brillanten Trompetenton erzeugt. Nicht umsonst muss der Organist eine kardinalsrote Taste betätigen, damit er das Register in sein Spiel einbeziehen kann.
Zuletzt konnte man noch in das „Cockpit“, den Hauptspieltisch des Organisten, Einblick erhalten. Die Orgel ist zwar nicht die größte in Europa, allerdings verfügt sie über sechs Manuale, womit sie alle anderen übertrifft. Prof. Beckmann hatte nun Gelegenheit, genauer auf einzelne Register einzugehen und speziellere Fragen zu beantworten. Es wurde deutlich, dass technisches Verständnis für einen Organisten ebenso wichtig ist wie spielerische Fähigkeiten. Auch wenn beim abschließenden Hörtest mit dem Spielen der größten und kleinsten Pfeife (also am Rande des menschlichen Hörvermögens) nicht alle Zuhörer bestehen konnten, so war die Führung mehr als gelungen. Wer mehr zur Geschichte der Orgel oder ihrer Organisten erfahren möchte, der sei auf die Webseite von Daniel Beckmann (www.danielbeckmann.de) verwiesen oder auf seinen Artikel „Aus alt mach neu“ in der Zeitschrift ORGAN_Journal für die Orgel (Heft 2, Mainz: Schott 2012).